Pokerspieler aus einer anderen Perspektive
Bei den meisten Analysen von Pokerspieler werden diese in vier verschiedene Gruppen aufgeteilt: tight-passiv (*1), tight-aggressiv, loose-passiv (*2)und loose-aggressiv. Auch wenn diese Gruppen vier verschiedene Verhaltensweisen darstellen, so handelt es sich dabei nicht wirklich um Wesenszüge. Sehen wir uns nun die wirklichen Persönlichkeiten von Pokerspielern an.
Es gibt einfach keinen tight-aggressiven Spieler.
Es gibt einfach keinen loose-passiven Spieler.
Es ist sogar so, dass kein einziges der Wörter (loose, passive, tight, aggressiv) auch nur irgendwas mit der wahren Persönlichkeit irgend eines Pokerspielers zu tun hat. Diese Wörter sagen nur etwas über die Konsequenzen der Charakterzüge von Spieler aus, sind somit Begleiterscheinungen der eigentlichen Persönlichkeit eines Spielers, die auf die Umstände der Karten reagieren. Einen Spieler als tight zu bezeichnen, ist wie ein Flugdrachen im Wind – der Flug des Drachen zeigt an, dass es Wind gibt, gibt aber keine Auskunft über die Gesamtheit der Sache.
In Wirklichkeit fallen alle Spieler in drei Kategorien. Das soll bedeuten, dass wenn man sich die Zeit nimmt um die üblichen Aktionen der Spieler (z.B.: sie setzen häufig preflop, legen häufig am River nieder, etc.) tiefergehend zu studieren und man sich die darunterliegenden Motivationen der Spieler genau ansieht, dann wird man merken, dass sich alle Spieler in die folgenden drei Kategorien einteilen lassen:
Personen, die Chips als Geld sehen
Personen, die Chips als Mittel zum Trickesen sehen
Personen, die Chips zum Zeitvertreib nutzen
Irgendwann glaubt jeder Person, die Poker spielt, in tiefsten Inneren des Herzens, dass Chips eine dieser drei Sachen repräsentieren: Zeitvertreib, Trickserei oder Geld. Das sind die Auslöser für die Entscheidungen der Spieler. Es ist ja nicht so, dass die Spieler sich immer entsprechend einer Kategorie verhalten und sich wie mechanisch tight-passiv oder loose-aggressiv verhalten. Nein, es handelt sich um Menschen mit Begehren.
Dadurch dass die Spieler ihre eigenen Chips auf eine der drei Arten sehen, so sehen sie auch die Chips der anderen Spieler am Tisch auf die gleiche Art und Weise: Jemand der Chips als Geld sieht, wird auch alle anderen Chips am Tisch als Geldstücke wahrnehmen, nicht nur seine eigenen. Das bedeutet, dass die spezifische Perspektive jedes Spielers über die Chips Auskunft darüber gibt, aus welchem Grund sie die Chips begehren - ob sie diese als Mittel zum Tricksen sehen und weitere Mittel erlagen wollen, usw. Und hier beginnt unsere Analyse:
Die Auswirkungen von Begehren auf den Spielstil:
* Chips als Geld: Spieler die ihre Chips als Kapital betrachten, wollen schnell große Gewinne einstreichen und danach den Tisch verlassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese in den anfänglichen Runden am Tisch sehr aktiv sind, besonders in den späteren Positionen. Diese Spieler versuchen das nötige Geld ranzuschaffen, um es dann woanders auszugeben. Sie wollen also nicht unnötig Zeit verlieren (zumindest nicht in den ersten Runden). Wenn sie bis zum Flop mitgehen, so kann es gut sein, dass alle Chips dieser Spieler in die Mitte des Tisches wandern. Karten in Reihenfolge, Asse und gleichfarbige Karten in Reihenfolge erscheinen diesen Spieler als reines Gold oder als Google-Aktien. Diese Personen werden mit Paaren passiv spielen, da sie dazu neigen eher ein Flush mit Karten in Reihenfolge zu erwarten, als ein Full-House mit einem Paar oder Drilling. Und denken Sie daran, geldmotivierte Spieler suchen schon von Anfang an nach Monsterblättern. Value-Bets (*3) und Showdowns mit Monsterblättern sind die Karten, mit denen ein erfolgreicher geldmotivierter Spieler mitgeht. Etwas später, so nach 30 bis 40 gespielten Runden, beginnen diese Spieler zunehmend tight zu spielen, um deren Einlagen zu bewahren. Außer diese gelmotivierten Spieler befinden sich in einer Blind-Position (denn in diesem Fall würden sie extrem aggressiv spielen um erneut deren Investition zu behalten), so werden diese zu „Stop-Go“ Spielern, also Spieler die entweder all-in gehen oder gar nichts tun. Geldmotivierte Spieler verstehen generell nichts von Zeit und Feingefühl, da diese entweder Vollgas unterwegs sind oder den Rückwärtsgang eingelegt haben. Das entsteht dadurch, dass jeder Spieler der am verlieren ist kurzsichtig wird und sich dann zu sehr auf seine Wahrnehmung der Chips (Zeitvertreib, Geld oder Trickserei) fokussiert. Somit wird ein verlierender geldmotivierter Spieler sich noch mehr vom Geld beeinflussen lassen, anstatt einfach nur eine Begierde nach Geld zu verspüren. Ein Spieler der Chips als reine Mittel zum Tricksen sieht, wird genauso von diesen Tricksereien beherrscht werden oder von dem Verlangen Spielzüge zu machen.
* Chips als Mittel zum Tricksen: Spieler die ihre Chips als Mittel zum Trickesen sehen, nehmen sich für gewöhnlich viel Zeit, wenn sie sich zum ersten Mal hinsetzen. Vielleicht nehmen sie die ersten 10 Runden überhaupt nicht am Spiel teil, sonder identifizieren erste die anderen Spieler am Tisch. Die Trickser sind wie Spendeneintreiber: Bevor sie an die Türen der Opfer hämmern, werden sie sich erst gut umsehen und herausfinden wie sie ihre Zeit und Techniken am besten einsetzen können. Unerwartete Spielzüge und gelegentliches aggressives Verhalten sind die Merkmale eines Trickser-Spielers. Denken Sie darüber nach, ein Trickser will mit seinen Chips was machen. Er will den anderen Spielern Pein bereiten und diese zu schwierigen Entscheidungen zu zwingen. Er will ja seine Tricks einsetzen, nicht so wie ein geldmotivierter Spieler, der nur versucht mit dem was er hat gut auszusteigen, zum Beispiel aus seinem Flush viel wie möglich rauszuholen. Wenn die Spiele mit Fortschreiten des Turnieres dann short-handed werden, so beginnen die Trickser übertrieben aggressiv zu spielen. Trickser geben nicht so einfach auf, ohne nicht vorher etwas Großartiges erreicht zu haben: entweder einen riesen Bluff oder genau zum richtigen Zeitpunkt mitgegangen zu sein. Für einen Trickser ist es das, worum es in einem Spiel geht und er wird sich nicht zufrieden geben, wenn ihm dies nicht gelingt. Auch wenn Trickser nur mehr über wenige Chips verfügen, beginnen diese sehr aggressiv zu spielen. Das liegt daran, dass ihnen ihrer Ansicht nach nur noch ein guter Trick bleibt, nur noch eine Chance um bei einer Wette etwas damit auszulösen. Wenn es bei dieser Art von Spieler auch unberechenbar ist zu wissen mit welchen zwei Karten sie sich in den Pot wagen, so sind die Trickser doch eher berechenbar, was die Aktionen und Vorhaben derer betrifft. Generell werden sie setzen, wenn vor ihnen bereits einige andere Spieler aufgegeben haben, genauso wie sie sich ein oder zwei Spieler am Tisch aussuchen werden und deren Wetten sie immer und unter allen Umständen erhöhen werden. Finden Sie heraus, wann ein Trickser die Chance sieht um einen seiner Tricks anzuwenden und kontern Sie dementsprechend.
* Chips als Zeitvertreib: Spieler die nur so zum Zeitvertreib spielen sind freundlich. Das sind die Spieler, die trinken, viel reden und alle anderen beim Namen kennen. Die Zeitvertreib-Spieler werden von Unbeständigkeit beherrscht, da diese wissen, dass alles eines Tages endet und sie versuchen deshalb so lange wie möglich dabei zu sein. Diese Personen neigen dazu bei einer Wette nur wiederwillig mitzugehen, da sie eigentlich gar nicht mitgehen möchten. Sie wollen sich nur so lange wie möglich die Zeit vertreiben und Spaß haben. Diese Spieler sind einfach von den verdeckten Karten der Mitspieler fasziniert und werden immer fragen, was jemand gehabt hat wenn dies nicht gezeigt wurde (speziell bei Runden wo sie selbst gar nicht mitgespielt haben). Einem Zeitvertreib-Spieler erscheint alles früher oder später wissenschaftlich. Diese Spieler sind es, die sich Turnier für Turnier anwenden, es aber so scheint als würden sie niemals eines gewinnen. Wenn sich das Glück gegen sie wendet, dann neigen sie dazu in den Hintergrund zu treten. Sie werden viele Blätter hintereinander einfach nieder legen, ohne auch nur darüber nachzudenken, falls sie nur noch wenig Chips haben. Sie werden einfach mit starken Blättern preflop mitgehen, um nur so wenig wie möglich zu riskieren. Die Zeitvertreib-Spieler sind fast ausnahmelos die freundlichsten Pokerspieler.
Alle werden von Begierden geleitet
Man sollte auch immer daran denken, dass einige Spieler einfach nicht so hell sind. Wirklich. Es ist wichtig sich dessen bewusst zu sein, denn wenn man beginnt zu denken, dass jemand sehr clever ist, so kann man sich selbst überlisten. Behalten Sie einfach im Hinterkopf, was jeder Spieler begehrt und warum. Sind die Gegner in schlechter Stimmung? In guter Stimmung? Sind sie finanziell am Ende? Scheinen sie durchgeknallt zu sein? Beobachten Sie zuerst was jemand ist, doch dann sehen sich an warum er so ist. Bei Poker geht es um versteckte Motive. Analysieren Sie warum jemand so ist wie er ist, doch hören sie dann nicht auf. Wenn Sie wirklich wissen wollen warum der Drache fliegt, dann müssen Sie sich den Wind ansehen.
*1 „tight“: vorsichtig, Bankroll wird knapp eingesetzt
*2 „loose“: risikofreudig, lockerer Umgang mit der Bankroll
*3 Wenn man erhöht mit dem Ziel, dass andere Spieler mit schlechteren Karten mitgehen (im Gegensatz dazu wenn man möchte, dass die Anderen aufgeben). Meistens wird dies angewandt, wenn man Karten hat, die den Gegenspielern gegenüber einen leichten Vorteil haben.